"Charisma und Charakter“
veröffentlicht in Monatsbrief
Man kann kaum eine Zeitung aufschlagen (analog oder digital) in der nicht über irgend einen Skandal berichtet wird. Und oft sind es auch die Kirchen, die für die Schlagzeilen sorgen. Warum ist das so? Warum sind selbst die Gemeinden oder Kirchen, die das Evangelium doch so hoch halten, nicht davor gefeit, in Skandale von Machtmissbrauch und sonstige Arten von Missbrauch verwickelt zu werden?
Was hat das Kreuzes- und Auferstehungsgeschehen denn dann gebracht?
Hat Jesus durch Seinen Tod und Auferstehung wirklich die Realität für Seine Nachfolger verändert?
Können sie ein anderes Leben führen als sie es ohne diesen Jesus würden?
Jesus war das vollkommene Versöhnungsgeschenk und Versöhnungsopfer Gottes. Er war das vollkommene Charisma, die vollkommene Gabe Gottes. Und Er war auch der vollkommene Charakter Gottes. In Seinem Leben fand sich weder ein sündiger Gedanke noch eine sündige Tat noch eine sündige Haltung.
Wir sind noch nicht vollkommen, auch wenn in unserem Leben etwas Neues, ein neuer geistlicher Mensch entstanden ist.
Ja, Jesu Auferstehung hat Leben und Unvergänglichkeit ans Licht gebracht. Und ja, wir können die Kraft Seiner Auferstehung in unserem Leben erleben, wenn wir von neuem geboren sind.
Aber wir sind noch nicht vollkommen erlöst. Wir stecken immer noch in unserem Leib fest, der noch nicht erlöst ist und den zu beherrschen wir nun herausgefordert sind.
Besser ein Langmütiger als ein Held, und besser, wer seinen Geist beherrscht, als wer eine Stadt erobert.
(Spr 16:32)
Dieser Leib ist es, der uns mit seinen Begierden immer wieder zur Sünde hin ziehen will, dem wir aber seinen Willen nicht lassen, sondern ihn für mit Christus gekreuzigt halten sollen.
Das ist Teil der Verleugnung, von der Jesus Seinen Jüngern gegenüber spricht. Es ist die Verleugnung des alten inneren gefallenen Menschen und es ist die Verleugnung des Anspruchs, den unser gefallener, unerlöster Leib anmeldet.
Wir mögen Charisma haben, und oft sind es „charismatische“ Leiter, die wir fallen sehen. Aber haben diese Leiter auch den dazugehörigen Charakter, der dieses Charisma tragen kann?
Und haben wir den Charakter, der unser Charisma oder die Charismata, die Gnadengaben, tragen kann?
Unser Charakter als Christen wird im Wesentlichen durch das Wachstum der Frucht des Geistes bestimmt.
In dem Maße, wie diese Frucht wächst, wird unser Charakter verändert in das Wesen hinein, das Gottes Wohlgefallen erweckt.
Wir werden uns nach Pfingsten mit der unterschiedlichen Frucht des Geistes intensiver befassen.
Hier soll es darum gehen uns bewusst zu machen, dass wir alle im selben Boot sitzen. Jeder Christ ist herausgefordert den Heiligen Geist in sich wirken zu lassen damit Er Seine Frucht in uns hervorbringen kann.
Gal. 5:22 Die Frucht des Geistes aber ist: Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, 23 Sanftmut, Enthaltsamkeit. ...
Die meisten kennen diese 2 Verse, irgendwie.
Aber den wenigsten ist bewusst, dass davor die folgenden Verse stehen.
19 Offenbar aber sind die Werke des Fleisches; es sind: Unzucht, Unreinheit, Ausschweifung, 20 Götzendienst, Zauberei, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Zornausbrüche, Selbstsüchteleien, Zwistigkeiten, Parteiungen, 21 Neidereien, Trinkgelage, Völlereien und dergleichen.
Und wenn wir diese Liste anschauen, dann werden wir feststellen, wie viele dieser Dinge uns aus unserem Leben bekannt vorkommen. Vielleicht sind es nicht Unzucht, Götzendienst, Zauberei mit denen wir zu tun haben. Aber wie ist es mit Unreinheit, Ausschweifung, Feindschaften, Streit, Eifersucht, Zornausbrüche, Selbstsüchteleien, Zwistigkeiten, Parteiungen, Neidereien, Trinkgelage, Völlereien.
Obwohl darunter Begriffe sind, die nicht mehr modern sind, haben wir in der Regel durchaus eine zutreffende Vorstellung von ihrer Bedeutung.
Wenn diese Vorstellungen bei uns eine Saite zum Klingen bringen, werden wir feststellen: Ich hab da etwas in mir, das da anspringt. Ich stelle fest,
• dass ich leicht neidisch werde, dass ich eifersüchtig werde auf das Können anderer oder auf das, was sie haben,
• dass ich gerne Leute auf meine Seite ziehen möchte,
• dass ich immer recht haben muss,
• dass mich manches Verhalten anderer unbeherrscht, ungeduldig und aggressiv werden lässt,
• dass ich mich bei manchen Genussmittel nicht im Griff habe,
• dass ich mich schnell benachteiligt, übersehen, nicht wahrgenommen fühle,
• dass ich immer wieder unsaubere Gedanken habe.
So lasst nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, und leistet seinen Begierden keinen Gehorsam.
(Röm 6:12)
Ich könnte diese Liste beliebig fortsetzen, denn das sind die Dinge, die in unserem Inneren immer wieder auftauchen. Wenn wir sie zulassen, dann lassen wir das Fleisch, unseren Leib über uns herrschen und dann kann die Frucht des Geistes nicht wachsen und unser Charakter bleibt unverändert.
Es kann durchaus sein, dass Gott uns begabt hat und auch möchte, dass wir diese Gaben auch benutzen. Aber wenn wir nicht den Charakter haben, der sie auch tragen kann, dann können sie uns zum Fallstrick werden.
Ich habe mich neulich mit einem alttestamentlichen Propheten befasst, der in diese Kategorie fällt: Bileam war ein Mann, der nicht vom Volk Gottes war, aber doch den Gott Israels kannte und mit Ihm unterwegs war. Er sollte im Auftrag des Moabiterkönigs Balak Israel verfluchen. Und obwohl er wusste, dass das nicht gehen würde, nahm er den Auftrag an. Er sagte Balak, dass er nur tun und sagen könne was Gott ihm erlaubt. Aber offensichtlich war da in ihm etwas, in seinem Charakter, das noch etwas anderes wollte und das wurde ihm zum Verhängnis.
Er weissagte nur das, was Gott ihn sagen ließ, was dann nur Segensaussprüche über Israel waren und die Ankündigung des ewigen Königs.
Aber er muss den Moabitern und Midianitern etwas gesagt haben, was diese umsetzten. Und damit brachten sie Unheil über Israel.
Wenn unser Charakter nicht in das Bild verwandelt wird, das Gott von uns hat, dann können unser Charisma und unsere Charismata uns zu Fall bringen.
Paulus spricht auf seine eigene Weise von dieser Gefahr. Er spricht davon, dass Gott ihm etwas, was ihn quälte, nicht nahm, damit er auf dem Boden blieb, damit er sich nicht auf das etwas einbildete, was Gott ihm an Offenbarung gab.
Wir können Erfolg haben und der Erfolg kann uns stolz machen, und das kann uns unempfänglich für Korrektur, Infragestellung und ehrlich gemeinte Unterstützung machen.
Eine andere Folge kann sein, dass wir uns eine Sonderstellung zugestehen, in der wir uns Dinge erlauben, von denen wir wissen, dass wir sie anderen nicht erlauben würden.
Wir sehen uns als unentbehrlich und wenn man gebraucht wird, dann kann man sich doch das eine oder andere leisten.
Nicht umsonst ermahnt Paulus die Leiter, die er nach Milet gerufen hatte mit folgenden Worten:
Habt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in welcher der Heilige Geist euch als Aufseher eingesetzt hat, die Gemeinde Gottes zu hüten, die er sich erworben hat durch das Blut seines eigenen ‹Sohnes›! Apg. 20:28
Dieses „Habt acht“ gilt nicht nur für die Leiter, auch wenn es vor allem ihnen gesagt wurde.
In Spr 4:23 lesen wir: „Mehr als alles, was man bewahrt, behüte dein Herz! Denn in ihm [ist] die Quelle des Lebens.“
Immer wieder lässt mich Jesus mein Herz sehen und was da noch alles drin ist und welche Regungen da möglich sind.
Und ich bin froh über Seinen Weg mit mir. Ich bin dankbar, dass Er mir erlaubt in Seiner Gemeinde zu dienen und mir auch gleichzeitig zeigt, wo das Begehren meines Fleisches mich hinziehen kann.
Und dann bin ich dankbar für den Platz, den Er mir angewiesen hat, auch wenn mein Fleisch nach mehr schreit.
Ich möchte uns alle einladen die Frucht des Geistes in uns wachsen zu lassen und den Werken des Fleisches unseren Kampf anzusagen.
Wir haben uns lange genug, insbesondere in dieser Coronazeit, berauben lassen, haben es erlaubt, dass der Feind uns gegeneinander aufstachelt. Geben wir ihm nicht weiter die Chance uns zu berauben, uns gegeneinander aufzustacheln. Erlauben wir ihm nicht mehr Werke des Fleisches unter uns entstehen zu lassen.
Strecken wir uns aus nach einem veränderten Charakter durch wachsende Frucht des Geistes.
Und dann wird auch sichtbar, dass Karfreitag und Ostern nicht umsonst waren, dass sie tatsächlich in der Person Jesu diese transformative Kraft haben, von der Gottes Wort redet.
Foto von Rachel Claire von Pexels